> Vorwort


Im Spannungsfeld kulturpolitischer Auseinandersetzungen entstand im letzten DDR-Jahrzehnt inoffiziell eine ganze Reihe von Kleinzeitschriften, in denen die Widersprüche dieser Zeit bereits deutlich ablesbar sind. Die Auflagenhöhe dieser autonom entstandenen Arbeiten war in den ersten Jahren gerade so hoch, wie die Zahl der Autoren und Graphiker, die an einem Heft mitarbeiteten. Merkantile Interessen und Öffentlichkeit spielten zunächst noch keine Rolle. Jeder Künstler war für die Vervielfältigung seines Textes oder seiner Graphik alleine verantwortlich und erhielt als Gegenleistung ein Belegexemplar.
Ab 1985 wurden diese Arbeiten auch teilweise in der Öffentlichkeit gezeigt. Ausstellungsorte waren Kirchen oder inoffizielle Galerien. 1986 legten die Künstler selbst den Grundstein für die Sammlung in der Sächsischen Landesbiliothek, als sie ihre originalgraphischen Hefte der Handschriftensammlung zum Kauf anboten. Es war ihnen vermutlich bewußt, dass die Weitergabe dieser inoffiziell erschienen Kleinzeitschriften an eine öffentliche Sammlung nicht ungefährlich war und auch nicht Öffentlichkeit für ihre Arbeiten bedeutete. Aber für jedes Heft bekamen sie soviel Geld, dass es für die Herstellung der nächsten Nummer reichte. Wenn also die Bibliothek wenig für die Öffentlichkeit dieser Editionen tun konnte, so förderte sie doch durch den Kauf dieser Hefte teilweise die Kontinuität ihrer Entstehung.
Vielleicht ahnten die Künstler auch, dass das politische System DDR irgendwann am Ende sein würde und dann diese Arbeiten der Wissenschaft zur Verfügung stehen könnten.

Durften die Hefte bis 1989 aus politischen Gründen nicht ausgeliehen werden, so spielt seit 1990 der konservative Aspekt eine immer größere Rolle. Mit mechanischer Schreibmaschine auf minderwertigem Papier geschrieben und mit Kohlepapier vervielfältigt, lassen sich schon heute manche Texte kaum noch lesen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach inoffiziell in der DDR erschienenen Büchern und Heften so groß, dass über den Schutz der aus sensiblem Material gefertigten Arbeiten nachgedacht wurde. Es mußte eine Lösung gefunden werden, wie man die Inhalte der so lange zurückgehaltenen Hefte wissenschaftlichen Zwecken zugänglich machen kann, ohne die Originale auszuleihen. Die große Zahl der an diesen Projekten beteiligten Künstler, die Vielfalt der Themen, Kunstgattungen und Materialien machte eine Erschließung wünschenswert, die unterschiedlichste Zugriffsmöglichkeiten anbietet und die Vorlagen möglichst originalgetreu abbildet.

Vom Institut für neuere deutsche Literatur kam der Vorschlag, die modernste digitale Erschließungsform für dieses Projekt zu nutzen. Gemeinsam mit dem Direktor des Institutes, Herrn Prof. Dr. Walter Schmitz, stellte die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden 1997 bei der DFG einen Antrag auf Förderung dieses Projektes, der schließlich für zwei Jahre bewilligt wurde.
Das vorliegende Projekt soll endlich die lange verschlossenen Hefte der Öffentlichkeit zugänglich machen und damit dem Wunsch vieler der beteiligten Künstler nach mehr Öffentlichkeit gerecht werden.

Prof. Jürgen Hering

Prof. Dr. Walter Schmitz