Zum Profil des DDR-Samisdat


Im Vergleich zu anderen Ostblockstaaten, kam es in der DDR zum Samisdat-Phänomen mit ca. 10 Jahren Verspätung. Als Vorbilder galten Polen und die CSSR. Die Biermann-Ausbürgerung (1976) war ein wichtiges Ereignis für den Anfang der Samisdat-„Bewegung“.

Die Verbindung zu Westdeutschland zählt zu den Merkmalen, die eine andere Samisdat-Kultur konturiert haben. Die späte Entwicklung des Samisdats in der DDR, steht im engen Zusammenhang mit der Ausdehnung des Tamisdats in der Bundesrepublik. In den 50’er Jahren wurden politische oppositionelle Schriften im Westen herausgegeben, die im Nachhinein in der DDR verbreitet wurden.

Dadurch, dass West- und Ostdeutschland dieselbe Sprache hatten, hatte man einigermaßen Zugang zu den Westmedien, die eine wesentliche Säule der unabhängigen Öffentlichkeit konstituiert haben. Dementsprechend hat die westliche Öffentlichkeit einen essentiellen Beitrag zum politischen Reifeprozess in der DDR geleistet.

Ab 1986 gewinnt der Samisdat durch die verstärkte Zunahme der erschienenen Untergrundtitel und durch die dynamische Entwicklung der Sprache/Ereignisse an fachlicher Qualität und Bedeutsamkeit. Die Schätzung der Gesamtauflage der verbreiteten Samisdate (Periodika, Informationsblätter, Bücher usw.) liegt bei mehreren zehntausenden Exemplaren. Dazu werden die kirchlichen Halbsamisdate und die Zahl der erreichten Leser nicht gerechnet.

Die Herstellung von Samisdaten führte zu politisch bildenden Entwicklungen. Dies geschah, weil man lernen musste, sich über gesellschaftliche und politische Zustände zu artikulieren und sie entsprechend zu kommunizieren. Nicht nur den Mut, sich durch das Publizieren im Samisdat gegen das Regime zu positionieren und mit Repressionsmaßnahmen konfrontiert zu werden, war von Bedeutung. Maßgeblich waren die politischen Inhalte.

Der Samisdat war nicht nur einfach die Stimme der Opposition, sondern er trug maßgeblich zur Entwicklung des Selbstbewusstseins bei und suggerierte Reichweite, Wirkung aus einer pluralen Verfasstheit heraus. Infolgedessen bildete sich die oppositionelle Szene zur Bürgerrechtsbewegung aus. Innerhalb der oppositionellen Gruppen entstand der Austausch und die Vernetzung, die sich als unverzichtbare Voraussetzungen für die Ereignisse im 89‘ entwickelten. Die Kurierwege des Samisdats waren die zuverlässigen, angstfreien und belastbaren der Akteure der ersten beiden Phasen der Friedlichen Revolution. Deswegen hat der Samisdat seinen bedeutsamsten Platz im Kontext der Friedlichen Revolution, dessen Ziel es war, die Erringung von Verhältnissen, die die Herstellung von Samisdat überflüssig machen.
Jürgen Fuchs, Schriftsteller und Bürgerrechtler, war einer der wichtigsten Vertreter der DDR-Opposition.
 
1950 geb. in Reichenbach/Vogtland
1969-1971 Dienst bei der National Volksarmee
1971-1975 Studium der Sozialpsychologie in Jena
1971 erste literarische gesellschaftskritische Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften
enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Robert Havemann
1973 Mitglied der SED
1975 Zwangsex-matrikulation und Ausbildungsverbot wegen „Schädigung des Ansehens der Universität in der Öffentlichkeit“; FDJ- und Parteiausschluss
1976-1977 Stasi-Haft in Berlin-Hohenschönhausen
1977 Ausbürgerung, Abschiebung nach West-Berlin
1985-1989 Herausgabe, zusammen mit Roland Jahn, der Tamisdat-Zeitschrift „Dialog“, die in West-Berlin für die DDR Opposition hergestellt wurde und dann nach Ost-Berlin geschmuggelt wurde
1990-1998 Beirat der Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Akten.
1999 gest. in Berlin