Aus: Jürgen Fuchs - Vernehmungsprotokolle*
19.11.
Zeigen Sie Ihren Personal-ausweis. Steigen Sie aus. Schließen Sie die Wagentür. Folgen Sie uns zu diesem Fahrzeug. Steigen Sie ein. Die Wagentür wird zugeschlagen und von innen verriegelt. WER SIND SIE? Ministerium für Staatssicherheit. Gegen Sie liegt eine Anzeige vor. Wir bringen Sie zu unserer Dienststelle. Dort erfahren Sie alles weitere. WAS FÜR EINE ANZEIGE, WER HAT MICH ANGEZEIGT? Alles weitere erfahren Sie in unserer Dienststelle. WARUM BEHALTEN SIE MEINEN AUSWEIS? Das ist bei uns so üblich, sagt er, das ist das Recht des Gastgebers.
Als ich meinen Ausweis gezeigt hatte, dachte ich: Vielleicht meinen sie einen anderen. Vielleicht meinen sie einen von denen, die auch im Wagen saßen, einen von meinen Freunden. Einen anderen, nicht mich. Aber sie meinten mich. Und keinen anderen.
Schweigen / Leere / diese Gesichter und ihr Lächeln / sie brüllen nicht / sie schlagen nicht / warum brüllst du nicht / warum schlägst du nicht um dich / was ist sinnvoll, was sinnlos / worin liegt der Sinn / und wo die Absicht / und wohin und warum.
Woher kommt dieser Schock? Es ist etwas eingetreten, womit zu rechnen war. Aber womit habe ich denn gerechnet? Ich habe von "der Möglichkeit eineer Verhaftung" gesprochen. Aber das waren Wrte. Ich habe doch gar nicht gewußt, was es heißt, verhaftet zu werden. Ih habe Worte verwendet, deren Bedeutung, deren Erlebnisinhalt ich nicht kannte. Ich habe nicht gewußt, wovon ich sprach.
(* Jürgen Fuchs: Verneh-mungsprotokolle November´76 bis September´77; Rowohlt, Reinbeck 1978)