Material beschaffen

Die Beschaffung der benötigten Materialien war nicht nur deshalb schwierig, weil z.B. selbst Druckereien die erforderliche Papiermenge durch die Behörden zugeteilt wurde. HerausgeberInnen von Samisdat waren zudem gut beraten, Papiereinkäufe verdeckt abzuwickeln, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.

So wurden Kleinstmengen an möglichst unterschiedlichen Orten erworben. Das Organisieren von Druckerschwärze, Matrizen, Heftmarker und Tacker war genauso problematisch. Matrizen wurden ggf. aus Bulgarien mitgebracht. Jede gedruckte Ausgabe ließ sich nur mit einem bedeutsamen Kraftaufwand herstellen, über die Angst vor Konsequenzen und Repressionsmaßnahmen hinaus.

Was die Schreib- und Vervielfältigungstechnik angeht, so war man einerseits auf die Hilfs und Risikobereitschaft einzelner Pfarrer angewiesen. Die Kirchgemeinden verfügten über Wachsmatrizen und später über Computer, die aus dem Westen gekauft bzw. gespendet waren. Die Kirche disponierte über gewisse Spielräume durch die staatliche Anerkennung begrenzter kirchlicher Eigenständigkeit. Deswegen befanden sich die meisten Samisdate unter der kirchlichen Schirmherrschaft mit dem Vermerk „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“. Auf dieser Weise konnten Publikationen als Gemeindebriefe erklärt werden und von der vom Staat verordneten Druckgenehmigung ausweichen.

Zur technischen Ausstattung, zur Beschaffung von Literatur und Informationen sowie zum Herstellen von westlicher Öffentlichkeit haben andererseits die aus der DDR ausgebürgerten Persönlichkeiten und Journalisten in wichtigem Maße beigetragen.

Johann Lippet
 
Versuch einer Diagnose

I
die antworten werden immer unsicherer
heute hat es sich ausgeschneit
meine gefühle werden unbeständiger
und meine ungeduld hat zugenommen
ich warte morgens nicht mehr in den haltestellen
auch meine gedichte
wachsen über ein paar zeilen nicht mehr hinaus

II
die gespräche mit den fremden
sind immer schwieriger in gang zu setzen
zu viel nachdenken liegt in jedem satz
zum verzweifeln
braucht man weniger zeit als zur ahnung der freude
hier irgendwo
liegt unser schweigen begraben

(In: Ostkreuz, Januar 1989)