Obwohl das Wort „Zensur“ in der DDR keine Rolle spielte, bedeutete die betriebene Praxis von Druckgenehmigungen nichts weniger als systema- tische Zensur. Das DDR - Filtersystem der Veröffentlichungen war nach dem Modell der Sowjetunion entwickelt. Zensiert wurde alles was mit regimekritisch war, aber auch alle mögliche Druckerzeugnisse, die der staatlichen Ideologie nicht entsprachen. Richard Zipfer differenziert die praktizierte Zensur in vier Kategorien:
1.
Die Selbstzensur 2. Die Vorzensur oder die sanfte Zensur- es handelt sich um die Zensur durch die Verlage, die über die Verbesserungsempfehlungen der Lektoren erfolgte. Nachdem das Manuskript „korrigiert“ wurde, fand nochmal eine Überprüfung/Bestätigung durch eine Expertenkommission des Verlages, deren Mitglieder ideologisch gut verankert waren, so dass sie eventuell von dem Lektor übersehene unzulässige Inhalte entdecken konnten. Der Vertragsleiter (eingestellt von der SED) war auch der Hauptverantwort- liche, der aber nur in problematischen Fällen eingeschaltet wurde.
3. Die staatliche Zensur – wurde über die zwei Organe des Kultur- ministeriums getrieben:
- die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel (HV) – zuständig für die Vergabe von Lizenzen, Bewertung und Erteilung bzw. Nicht-Erteilung der Genehmigung für die Veröffentlichung eines Manuskriptes. Die HV bestimmte auch die Auflagenhöhe sowie das Vermarktungsverfahren.
- Büro für Urheberrechte – setzte fest, ob ein Buch im Ausland, insbe- sondere in der BRD gedruckt werden konnte.
4. Die Parteizensur – fand in der Realität in allen für Zensur zuständige Behörden sowie in Schriftstellerverbänden statt. Dies geschah über die eingesetzten SED Mitglieder, die meistenorts die Entscheidungsfunktionen besaßen.
Abfolgen, Verantwortlichkeiten und Inhalte dieser Genehmigungspraxis wurden offiziell verschwiegen. So bekamen etwa Verlagsleiter lediglich mündliche Informationen über zu ändernde Autorenmanuskripte. Das Gutachten selbst lag nicht in schriftlicher Form vor; unbekannt blieb auch der Gutachter. Die Druckereibetriebe waren verpflichtet, Druckaufträge erst nach Vorlage des Genehmigungsschreibens zu bearbeiten.
Bei der praktizierten Zensur geht es nicht nur um die Erteilung der Druckgenehmigung für verschiedene Texte und Bücher. Vielmehr handelt es sich um den staatlichen Versuch, durch Indoktrination und Überwachung, in allen literarischen Entwicklungsprozessen - von der Entstehung einer Schrift zur Veröffentlichung und Vermarktung bis hin zur Literaturkritik und Reaktionen - einzuwirken.