Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der DDR

Zwischen den in der DDR-Verfassung zugesicherten Freiheitsrechten - zum Beispiel auf Meinungs- und Publikationsfreiheit – und deren Verwirklichung, also deren mögliche Wahrnehmung durch die DDR-Bürger, bestanden deutliche Widersprüche.
 

Beispiel: offener Brief an die Staatsanwaltschaft

In einem offenen Brief an die Staatsanwaltschaft war es 1987 dem Bürgerrechtler Gerd Poppe gelungen, auf den Gegensatz zwischen dem DDR-Verfassungstext von Artikel 27 zur Meinungsfreiheit und deren Nichtgewährung in der DDR-Rechtsprechung hinzuweisen. Seine Meinung zum Thema brachte er unter der Überschrift „Werter Herr Staatsanwalt“ sowie in der Form als „offener Brief“ im Samisdat „Grenzfall III“ 1987 heraus und konnte damit eine – allerdings beschränkte – Öffentlichkeit erreichen. Damit war seine Meinung faktisch „publiziert“ und Poppe konnte gleichzeitig herausarbeiten, dass es keine Instanz zur Einklagung von Freiheitsrechten in der DDR gab, obwohl dies in Verfassungsartikel 27 als Individualrechte zugesichert wurde.
Seine Meinung konnte er so „publizieren“ und gleichzeitig herausarbeiten, dass es in der DDR eine Instanz zur Einklagung von Freiheitsrechten nicht gab, obwohl diese in Verfassungsartikel 27 als Individualrechte zugesichert wurden.
Folgerichtig stellte die größte Bürgerbewegung, das NEUES FORUM, am 1. Oktober 1989 in einem „Offenen Problemkatalog“ Forderungen auf, die auf Gesetzesänderungen im Bereich der Individualrechte, also insbesondere auf die Gewährung von Vereinigungs- und Publikationsfreiheit, zielten. (>>>)
Mircea Dinescu
 
fische

das bild der götter hat sich längst zurückgezogen
auf die etikette an den konservenbüchsen
geblieben ist nur noch der haufe der alten
die im regen eine geschminkte kirche betrachten
und die zarte maschinerie der sonnenblume
die endlos auf dem hügel rattert.

wir stehen mit dem vieh eng gedrängt auf dem feld
es ist als schwebten elegante luxusdampfer
die die nerven des meeres nicht mehr ertragen
durch die grünen wiesen
nichts hinterlassend als spuren
von treibstoff und transatlantik-partys.

so lauern wir wie furchtsame fische unterm
vorbeischwebenden paradies auf den strick
der auch uns an bord hieven wird.

aber es ist nichts:
eine welt zieht an einer anderen vorbei und sie berühren sich nicht.

(In: Ostkreuz., Januar 1989)