Jürgen Fuchs: Vernehmungsprotokolle*
24.11.
I: Nun, wie steht es?
Ich möchte Ihnen nur drei Punkte zu Protokoll geben: 1. ich protestiere gegen meine Inhaftierung 2. Ich fordere meine sofortige Freilassung 3. Ich lehne jedes weitere Gespräch mit Ihnen ab.
I notiert, was ich sage.
I: Das ist eine sture Haltung. Das ist ganz und gar nicht der konstruktive Dialog, den ich mir vorgestellt habe.
Ich schweige, sehe aus dem Fenster, notiere einiges auf die Tischplatte.
I: Herr Fuchs, Sie haben eine Schwester, nicht wahr? Die wohnt in Saalfeld und hat drei Kinder, ist das richtig? Sie ist Lehrerin. In welchem Verhältnis stehen Die zu ihr, ist es gut, ist es schlecht?
Meine Schwester / was sollen diese Fragen / sie werden doch nicht etwa / das ist doch ganz unmöglich / was ist unmöglich?
I: Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihr, wir wissen das. Sie haben sie öfteres besucht, ihr neue Arbeiten gezeigt, mit ihr diskutiert. Sie hat gewisse strafbare Handlungen offensichtlich geduldet, ohne Anzeige zu erstatten. Wissen Sie, was das heißt. ich meine, für sie?
Sie suchen nach deinen Schwachpunkten. Und Schwachpunkte sind die Menschen, die du liebst. Sie wollen dich verletzen, zu `Reaktionen zwingen, Panik und Angst erzeugen. Das, was sie dir sagen, sind Andeutungen. Du sollst weiterdenken und weiterfühlen. Informationssperre, -auswahl, -verzerrung, Falschinformationen, Teilwahrheiten und Wahrheiten, die dir unangenehm sind, werden ausgewählt. Was ist wie und wo einzuordnen? Die Beantwortung dieser hochbedeutsamen Fragen wird um so schwieriger, je länger du in Haft bist, je mehr "Aßen-Film" fehlt. Das wissen sie. Damit rechnen sie. Danach handeln sie. Gezielt, kundig, ohne moralische Schranken. Du bist ein "Feind". Der Einsatz vielfältiger Mittel ist erlaubt, wenn nur der "Sieg" errungen wird. Un ihr "Sieg" ist deine Niederlage, dein Zusammenbruch, deine Unterwerfung, die sie "Einsicht" nennen oder "Mitarbeit im Verfahren".
(* Jürgen Fuchs: Verneh-mungsprotokolle Nov.´76 bis Sept.´77;
Rowohlt, Reinbeck 1978)